Aufruf zum 

              15. Erinnerungstag NIE WIEDER im deutschen Fußball

Januar 2019

 

„! Nie wieder“, diese Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau, haben Fußballfreunde 2004 aufgegriffen und den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ins Leben gerufen. Am 27. Januar 2004 wurde die Initiative in der Evangelischen Versöhnungskirche, KZ-Gedenkstätte Dachau, gegründet. Die Anregung kam aus Italien. Ein Bündnis aus Einzelpersonen, Fangruppen und Fanprojekten, Vereinen, Verbänden und Institutionen aus dem Fußball gedenkt seitdem der preisgegebenen Familienmitglieder und engagiert sich für eine würdige Gedenkkultur und für ein Stadion ohne Diskriminierung (Quelle: Evangelische Versöhnungskirche Dachau).

 Der Erinnerungstag !NIE WIEDER wird von der Initiative Erinnerungstag im deutschen Fußball alljährlich zum Spieltag um den 27. Januar aufgerufen. Der Aufruf wird von den Fußball-Spitzenverbänden unterstützt. In der Initiative Erinnerungstag wirken auch mehrere Vertreter aus unserer Region mit.

 

Aktionen (z. B. Stadiondurchsagen, Lesungen usw.) sollen um den Spieltag um den 27. Januar bzw. bei Turnieren in der Winterrunde oder bei Spielbeginn nach der Winterpause durchgeführt werden. Zur Auswahl und individuellen Verwendung/Modifikation stehen folgende Texte zur Verfügung:

a) Informationsschreiben für Vereinsfunktionäre (nachfolgend)

b) Stadiondurchsage (unten)

  

 Zu a) Informationsschreiben

 

!Nie wieder - 15. Erinnerungstag im deutschen Fußball“ an den Spiel- und Turniertagen um den 27. Januar 2019 bzw. bei Turnieren oder bei Spielen nach der Winterpause

 

Sehr geehrte Vorstände, Präsidenten,

Abteilungs- und Übungsleiter,

Trainer und Betreuer der Amateurvereine,

der Regionalligen, der Bundesligen der Frauen

und der 3. Ligen,

 

der „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ geht in seine 15. Kampagne. Gefördert und gestützt durch die Präsidenten des DFB, Reinhard Grindel und der DFL, Dr. Reinhard Rauball, sowie der Landesverbände und der Deutschen Fußball Liga, setzt der „Erinnerungstag“ seit 15 Jahren zum Jahresanfang und mit dem Start der Rückrunde ein machtvolles Zeichen gegen den allgegenwärtigen Rassismus, dem wachsenden Antisemitismus, der ebenfalls zunehmenden Homophobie im Fußball und in der Zivilgesellschaft, sowie gegen die Verächter unserer Demokratie. 

 

„!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ nimmt die Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau auf und hat sie sich zu eigen gemacht.“

 

„Er versteht sich als ein starker Beitrag für eine wertschätzende, wehrhafte und demokratische Gesellschaft, in der das Achten der Würde jedes Menschen unveräußerlich ist.“

 

Seit 15 Jahren sind diese Kernsätzen der Treibstoff, der die Projekte und Aktionen zum „Erinnerungstag“ begründet und befeuert. Wie zwingend notwendig dieses Engagement der Fußballfamilie weiterhin ist, macht der Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Stimmungs- und Gemengelage in Deutschland und Europa deutlich. 

 

--> Unsere ausländischen, unsere jüdischen, unsere Roma- und Sinti-Freunde werden  verbal und körperlich angriffen. 

--> Gruppen und Fußballvereine, die sich für geflüchtete Menschen in beispielhafter Weise einsetzen oder das Schild „Fußballvereine gegen Rechts und Gewalt“ an ihren Vereinsheimen und Sportstätten anbringen, müssen sich für ihre Engagements rechtfertigen und werden angefeindet.  

--> Menschen aus der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ verschieben, unterhöhlen und verhöhnen die Grenzen von Anstand und Moral mit Verbalattacken in sozialen Netzwerken, mit Hasstiraden über Geflüchtete und Journalisten*innen. Fangruppierungen und Vereine, die sich für etwas einsetzen, was jahrzehntelang selbstverständlich geworden zu sein schien: Ein wertschätzendes Miteinander in einer Gesellschaft auf der Grundlage des Grundgesetzes und auf dem Boden eines geeinten Europas, werden verunglimpft, bedroht und tätlich angegriffen. 

 

Wer die Lehren aus der Terrorepoche der Naziherrschaft für sich gezogen hat, der weiß, dass er sich einzumischen hat, wenn die Würde des Menschen missachtet wird. Er steht damit in der Wertetradition der Gründungsväter des deutschen und europäischen Fußballs. Es war der große Walther Bensemann der noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert und das bis zu seinem Tod im November 1934 im Schweizer Exil, dem „Englischen Spiel“ eine friedensfördernde Kraft zuwies. Wortmächtig schrieb er in seinem „Kicker“ gegen die Übel des Nationalismus, des Militarismus und gegen die Feinde der Demokratie an. Er und seine Mitstreiter, nicht selten Deutsche jüdischer Herkunft, so wie er selbst, setzten der gesellschaftlichen Spaltung Deutschlands und Europas und der damit einhergehenden Verachtung der Menschenrechte die verbindende und friedensschaffenden Kraft des Fußballs entgegen.

 

In dieser Wertetradition steht die Fußballfamilie. Und deswegen rufen die Freundinnen und Freunde von der Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“  dazu auf, sich mit klugen und kreativen Aktionen an den Spiel- und Turniertagen um den 27. Januar 2019, im Rahmen der 15. Kampagne einzumischen.

 

 

 

Tragt mit Euren Aktionen dazu bei, dass die Verbrechen an den jüdischen, kommunistischen und allen anderen Verfolgten in Nazideutschland nicht vergessen werden.

  

Setzt bei den Spielen Eures Vereins um den 27. Januar 2019 (bzw. früher oder später) ein unübersehbares Zeichen gegen den latenten und aktuellen Rassismus, den gefährlich wachsenden Antisemitismus und der Flüchtlingsfeindlichkeit und stellt Euch vor die davon bedrohten Menschen. Widersprecht den Verächtern der Demokratie und den Nationalisten in Deutschland und Europa.

 

Wie in den letzten Jahren, kommen mit diesem Schreiben noch weitere Texte zu Euch. Einen, den Eure/Euer Stadionsprecher*in oder eine andere Person vor dem Spiel verlesen kann, der auch auf dem Stadionbildschirm oder als Banner gezeigt wird.

 

Darüber hinaus sind Eurer Kreativität und Eurem Engagement keine Grenzen gesetzt. Gestaltet Choreographien. Ladet zu  Lesungen ein. Veröffentlicht in Euren Publikationsorganen ein Interview mit Präsident und Spielern. Lasst Vereinsmitglieder mit Migrationswurzeln zu Wort kommen. Ladet zu Gedenkspaziergängen ein. Zeigt Filme. Lasst alte Vereinsmitglieder erzählen. Nehmt zu der Jüdischen Gemeinde und zu den Makkabi Vereine Kontakt auf, etc. etc. …. Weitere Anregungen für Aktionen findet Ihr in der Anlage.

 

Wir bitten Euch, diesen Brief und die nachfolgenden Texte an Eure Freunde im In- und Ausland weiterzuleiten.

 

Die Impulsidee für den Erinnerungstag kommt aus Italien „Per non dimenticare – Lasst uns nicht vergessen!“ „!Nie wieder“ ist Teil dieser europäische Bewegung.

 

Glückauf, Schalom und Servus,

 

Eberhard Schulz

 

Sprecher der Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ und der Mitstreiterinnen und Mitstreiter: Jörg Ankermüller – Mario Bendel (Fußball-Fans-gegen-Rechts) – Ronny Blaschke – Martin Gansen /Rote Karte Stuttgart – Hennes Elbert - Tom Koster /Fortuna Düsseldorf – Thomas Kraus – Anton Löffelmeier – Daniel Lörcher – Alon Meyer/Makkabi Deutschland  – Lorenz Peiffer – Angelika Ribler/ Sportjugend Hessen – Maurice Schreibmann/Maccabi München – Peter Schüngel – Klaus Schultz/Evang. Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau – Dietrich Schulze-Marmeling - Alexander Sobotta – Matthias Thoma/Eintracht Frankfurt-Museum  – Albert van Waveren – Andreas  Wittner/FC Bayern-Erlebniswelt – Ludwig Haas/Gräfenberger Sportbündnis – Peter Reuter/Eichenkreuz  Nürnberg– Joachim Puls – Stephan v. Plötz, Stefan Hebenstreit/Fanprojekt Frankfurt – Marius Künzel/ Fanprojekt Mönchengladbach –  Jochen Kaufmann, Nadine Bickmann, Sebastian Drescher/ Fanprojekt München – Gerd Wagner, Philipp Beitzel/KOS – Ulla Hoppen/ Löwenfans gegen Rechts – Conrad Lippert, Adam Bednarski/Roter Stern Leipzig –  Schickeria München – Matthias Fritz/ TSV Kücknitz – Werner Skrentny –  Marc Teuku – Chris Schirmer/ Fußball-Akademie Nürnberg –  Ronald Uhlich, Edgar Ledur/FC Ente Bagdad – Dirk Kämper – Sven Graner, Maciej Seweyn/Schalke 04 –         

 

Nina Catharina Reip – Stefan Stoll – Thoralf Höntze/Babelsberg 03 – Helga Roos – Luis Engelhardt ...

 

Anregungen und Beispiele für Aktionen zum Erinnerungstag aus den Kampagnen der vergangenen Jahre

 

 

Die Schickeria München zeigte 2014, vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt, eine beeindruckende Choreografie zum Gedenken an den ehemaligen Präsidenten des FC Bayern, Kurt Landauer, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft vom Nazi-Regime verfolgt wurde.

 

 

Auf Initiative des Frankfurter Fanprojekts wurde am 2014 ein Denkmal am Haupteingang des Frankfurter Städtischen Stadions errichtet, das an diejenigen erinnert, deren Namen nicht oder noch nicht bekannt sind, und die auf einmal nicht mehr an ihrem Platz standen.

 

 

 

Die Spieler von Rot-Weiß Essen liefen 2013 bei ihrem Spiel gegen den 1. FC Köln II mit Trikots auf, die auf der Vorderseite das Bild von Julius Hirsch zeigten und auf deren Rückseite stand: „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“. Die Jüdische Gemeinde schrieb ein Grußwort dazu.

 

 

 

Aktion von Mainz 05 und dem FC Ente Bagdad beim Spiel gegen Dortmund am 29. Januar 2017

 

 

 

Aktion des SV Sedlitz, zusammen mit dem Bürgermeister, zum Erinnerungstag 2016 am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus

 

 

 

Aktion beim Spiel  von Fortuna Düsseldorf gegen 

den SV Sandhausen am 29. Januar 2017

 

 zu b) Stadiondurchsage

 

 zum "Erinnerungstag im deutschen Fußball" an den Spieltagen um den 27. Januar oder bei Turnieren oder bei den Spielen nach der Winterpause

 

Verehrte Fans und Spieler von (Gastverein) und (Heimverein),

verehrte Freundinnen und Freunde des Fußballs!  

 

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Diese Befreiungsaktion ist der Anlass in Anteilnahme und Respekt der Menschen zu gedenken, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer politischen Überzeugung und ihrer sexuellen Orientierung vom national-sozialistischen Terrorregime und von deutschen

Bürgerinnen und Bürgern ausgegrenzt, entwürdigt und verfolgt wurden. Viele verschleppte man in die Konzentrationslager und ermordet sie.

 

Und der Fußball spielte mit. Jüdische sowie politisch andersdenkende Mitglieder

schloss man aus der Vereinsfamilie aus und gab sie damit dem Naziterror preis.

 

Damit das „!Nie wieder“ geschieht, wenden sich unsere Vereine gegen jene, die den Fußball mit antisemitischen und rassistischen Parolen und Aktionen vergiften und missbrauchen. Das Fundament unseres Zusammenlebens in Deutschland und in Europa, die Demokratie auf der Grundlage der Menschenrechte, muss gegen die empörenden und verstörenden Übergriffe, die aus den Kurven kommen, auf den Straßen sich austoben, aus der Mitte der Gesellschaft

hervorbrechen, verteidigt werden.

 

Für eine Kultur des Verstehens und für ein demokratisches Gemeinwesen, in denen die Würde

jedes Menschen geachtet und verteidigt wird, dafür setzen wir uns ein und das radikal, verstanden

im lateinischen Wortsinn: die Wurzel / der Ursprung.

 

Bitte bekräftigt und unterstützt diese Aufforderung zur wehrhaften Einmischung mit

Eurem/Ihrem Beifall.